Über Ronda ins Sherry Dreieck
Bereits am neunten Tag mieten wir einen Opel Corsa für fünf Tage Andalusien. Fahren zunächst nach Ronda, in das berühmteste der „weißen“ Dörfer. Nach einer Nacht in einen Hotel mit vier Sternen, zwei davon wahrscheinlich nur ausgeliehen, fahren wir nach Algeciras. Die Stadt ist nicht das Ziel, sondern nur Ausgangspunkt für Ausflüge in zwei Exklaven: Gibraltar und Ceuta. Die letzte Nacht verbringen wir in Jerez de la Frontera.
Ronda, etwas mehr als 30.000 Einwohner, liegt beeindruckend 730 Meter über dem Meeresspiegel. Leider spielt das Wetter bei unserer Ankunft nicht mit. Es regnet bei sieben Grad Celsius. Ungemütlich. Dennoch schlendern wir durch die Stadt, schauen von den Brücken und Promenaden in die Tiefe.
Der Weg in die Tiefe ist uns allerdings bei diesen Wetterbedingungen zu mühsam. Viele Dörfer in der Gegend sind deshalb weiß, weil der Brauch des Kalkens der Wände aus Nordafrika importiert wurde. Weißer Kalk reflektiert das Sonnenlicht, desinfiziert und ist preiswert. Bei Sonnenschein ist Ronda auf jeden Fall zwei Tage wert. Denn das “wahre” Erlebnis liegt in der Entdeckung der Schluchten und im Blick nach oben. Die Preise in den Restaurants sind sportlich, die Sehenswürdigkeiten im Ort überschaubar.
Auf dem Weg nach Algeciras fahren wir durch eine wunderschöne Berglandschaft. Wolken am Himmel, die Sonne scheint.
In Algeciras wohnen wir ca. zwei Kilometer vom Hafen entfernt, kaufen das Fährticket nach Ceuta im Kaufhaus „El Corte Ingles”. Für die einstündige Überfahrt zahlen wir 60 Euro pro Person, ein stolzer Preis. Doch am Tag zuvor besuchen wir Gibraltar.
Wir parken unseren Wagen in La Linea de Concepcion, gehen die wenigen Meter zur Grenze zu Fuß.
Im Jahr 1713 erkennt Spanien im Vertrag von Utrecht die Annexion Gibraltars durch die britische Krone an. Heute würde die spanischen Politiker die Exklave gerne übernehmen und die Briten sie gerne abgeben wollen, aber die Bevölkerung wäre damit nie einverstanden. Und Gibraltar kann nur mit Zustimmung seiner Bevölkerung, so steht es in der Präambel der Verfassung von 1969, aus britischer Souveränität entlassen werden. Die Amtssprache ist Englisch, bezahlt wird mit dem britischen Pfund. Die Preise werden selbstverständlich in Euro umgerechnet, mit einer über dem offiziellen Wechselkurs liegenden Marge versteht sich.
Das erste Erlebnis beim Betreten des sechs Quadratkilometer großen Territoriums, 33.000 Einwohner, ist der Weg Richtung Innenstadt. Wir müssen ein Rollfeld überqueren, auf dem pro Tag bis zu acht Flugzeuge landen und starten. Ist es soweit, zeigt die Ampel ROT, die Schranken gehen nach unten und die Straße wird zusätzlich durch Krähenfüße gesichert.
Ist das Flugzeug gelandet oder gestartet, schlägt die Ampel auf GRÜN um, und von beiden Seiten setzen Fußgänger und alle anderen Verkehrsteilnehmer ihren Weg fort. Wir erleben sowohl einen Start als auch eine Landung. In Gibraltar leben die Menschen auf engsten Raum zusammen. Es ist eine mediterrane Mischung aus Marokko, Italien, Spanien und England. Die meisten Arbeitskräfte kommen morgens über die Grenze, wohnen in La Linea de Concepcion. Über die Winston Churchill Avenue, den Grand Casemates Square und die Main Street, letztere ein Eldorado von Duty-Free-Shops und Souvenirläden, vorbei an Marks & Spencer und HM Government of Gibraltar, erreichen wir die Basisstation der Cable Car, um auf den Affenfelsen zu fahren.
Es gibt zwei Optionen: entweder nur hoch zur Station für 18 britische Pfund oder zusätzlich mit einem Spaziergang im Natur Reserve für 34 britische Pfund. Wir entscheiden uns aus Zeitgründen für die „faule“ Variante. Wir verzichten auf Höhlen und Tunnel, auf die Mauern des Moorish Castle und die Kanonen. Auch bei der ersten Option treffen wir die Berberaffen und sehen deren Dynamik. Zweimal springen sie auf den Rucksack von Besuchern, in der Hoffnung, Essbares zu entdecken. Diese Affen sind für viele Besucher das Hauptargument für die Fahrt nach oben.
Gibraltar ist mit einem Tagesausflug zu entdecken. Dennoch, wer etwas tiefer in die britische Mentalität eintauchen und auf dem Felsen wandern möchte, sollte mindestens eine Übernachtung in Erwägung ziehen.
Am Tag nach Gibraltar, britische Exklave in Spanien, fahren wir nach Ceuta, spanische Exklave in Nordafrika. Die zweite spanische Exklave in Marokko ist Melilla, allerdings sehr viel weiter von Algeciras entfernt.
Ceuta, 18.5 Quadratkilometer und 85.000 Einwohner, überrascht uns positiv. Ein sehr sympathischer Ort. Wir besichtigen die Stadtmauer aus dem 13. / 14. Jahrhundert, die Kathedrale Santa Maria de la Asuncion, die auf den Fundamenten einer Moschee gebaut wurde, die wunderschöne Kirche Santa Maria de Africa mit einer Marienfigur Nuestra Senora de Africa, die Schutzpatronin der Stadt, das Casa de los Dragones, die vielen Statuen oder den Parque Maritimo del Mediterraneo in der Nähe des Hafens. Ceuta hat so viel zu bieten. Auch hier sollte man mindestens einmal übernachten, um auch den Monte Hacho erleben zu können.
Besonders spannend finde ich die Verbindung der Stadt zu Herakles. Die beiden Säulen des Herkules symbolisierten in der Antike die beiden kontinentalen Flanken der Straße von Gibraltar: Zum einen der Fels von Gibraltar, 426 Meter hoch, zum anderen der Monte Hacho in Ceuta, 204 Meter hoch. Calpe und Abyla. Wie vom griechischen Dichter Pindar übermittelt, brachte Herkules am Ausgang des Mittelmeeres die Inschrift „Nicht mehr weiter“ an, um das Ende der Welt zu markieren, das Ende der bekannten Erde. Non plus ultra. Nach der Entdeckung Amerikas wurde auf das „Non“ verzichtet. Plus Ultra. Heute im spanischen Wappen zusammen mit den Säulen zu finden. Diese Herkules Säulen stehen dominant am Eingang des Hafens und mitten in der Stadt, sind weltweit die größten Bronzeskulpturen der antiken Mythologie. Am Hafen vereinigt Herkules die beiden Kontinente, in der Stadt trennt er sie.
Zwei Exklaven in zwei Tagen. Heute, nach den Erlebnissen und Erfahrungen vor Ort, würde ich zweimal zwei Tage einplanen.
Die finale Destination unserer kleinen Andalusien-Tour, insgesamt 600 Kilometer, ist Jerez de la Frontera mit mehr als 200.000 Einwohnern.
Wir kommen leider an einem Samstag am frühen Nachmittag an – Sherry Tasting in einer der unzähligen Bodegas ist nicht mehr zu schaffen. Im Hotel, leider wieder überteuert für die Qualität, werden wir an die Galeria del Jerez verwiesen. Ein kurzer Anruf, und wir haben einen Termin für 18:00 Uhr. Empfangen werden wir von Sylvia, einer Deutschen, gebürtig aus Hannover, die schon mehr als zehn Jahre in Jerez lebt. Die Galeria del Jerez bietet ein umfassendes Sherry Tasting für 20 Euro pro Person an, fünf verschiedene Sorten, einen Fino als Begrüßungs-Sherry, Knabbereien und eine sich anschließende Führung durch das Museum. Sylvia macht das hervorragend, die zwei Stunden sind sehr kurzweilig. Wir testen, gelegentliches Nachschenken inkludiert, die Sorten Amontillado, Palo Cortado, Oloroso, Cream und zum Finale einen Pedro Ximenez. Ein mehrgängiges Essen mit einem korrespondierenden Sherry Pairing leuchtet am kulinarischen Horizont auf.
Übrigens, die Sherry- und Brandytradition von Jerez geht auf englische Katholiken im 16. Jahrhundert zurück, die nach Spanien fliehen mussten.
Viel sehen wir von Jerez nicht, weil wir auch relativ früh am Sonntag wieder Richtung Sevilla aufbrechen müssen. Schade, Jerez scheint eine hübsche Stadt zu sein.