Kultur-Quintett in Doha
Arabische Länder legen in der Regel großen Wert auf prunkvolle Moscheen und Museen. Da ist Katar keine Ausnahme. Leider wurde das neue Nationalmuseum von Katar erst nach unserer Abreise Ende März eröffnet. Ich wäre gerne dort gewesen. Fünf kulturelle Facetten haben mich tief beeindruckt: Das Katara Cultural Village in der Nähe von The Pearl, das Museum für Islamische Kunst am Dhow Hafen, die Imam Muhammad bin Abdulwahhab Moschee im Stadtteil Al Jebailat, die Nationalbibliothek Katars in der Education City sowie die angrenzende Education City Moschee mit der Fakultät für islamische Studien. Ein grandioses Quintett.
Katara Cultural Village
Das vom Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani initiierte Projekt ist heute immer noch eine Baustelle. Auf 100 Hektar präsentiert sich eine Kultur-und Kunststadt, aber auch eine Erlebnisstadt für den Alltag, mit den Galeries Lafayette, die kurz vor der Öffnung stehen, zahlreichen Restaurants und einem Strand. Eine zehnminütige Taxifahrt von unserem Hotel bringt uns in das „Kulturdorf“. Galerien, Opernhaus, Amphitheater, Moschee, und Falknerei, integriert in eine außergewöhnliche arabische Architektur, erwarten uns.
Das Katara Cultural Village ist ein riesiges Open-Air Kulturzentrum. Wir sehen allerdings kaum Besucher, die großzügigen Flächen sind fast menschenleer. Leere auch in der Stadt – Doha scheint gegenwärtig kein Touristenmagnet zu sein.
Museum für Islamische Kunst
Normalerweise gehe ich ins Museum, um mir die Ausstellungen / Exponate anzuschauen. Das Museum für Islamische Kunst zeigt wunderschöne islamische Kunstwerke aus aller Welt, es ist ein Spaziergang durch 1400 Jahre Geschichte. Der für mich allerdings nicht der Höhepunkt des Besuches ist. Es sind Architektur und Lage des Museums, die mein Herz erobern. Der chinesisch-amerikanische Architekt Ieoh Ming Pei, 101 Jahre alt, ist für die Außendarstellung des Museums verantwortlich. Für ein fünfstöckiges Gebäude aus cremefarbenem Sandstein, Symbol der Sanddünen der katarischen Wüste. Für die großzügigen Terrassen mit ihren Wasserspielen und dem einzigartigen Blick auf West Bay. Für die außergewöhnliche Lage auf einer künstlichen Insel inmitten eines Parks. 50 Prozent meiner Besuchszeit widme ich dem Außenbereich, 20 Prozent der Innenarchitektur und nur 30 Prozent den Ausstellungen.
Die Innenarchitektur stammt von Jean-Michel Wilmotte, der mit Pei bereits beim Pariser Louvre zusammengearbeitet hatte. Die lichtdurchflutete Haupthalle mit dem kleinen Restaurant, den großen Fenstern, den geschwungenen Treppen und dem dunkelgrauen Steinboden macht einen sehr edlen Eindruck. Das Museum für Islamische Kunst (MIA), im Dezember 2008 eröffnet, ist ein gutes Beispiel für Museen, die auch aufgrund ihrer außergewöhnlichen Architektur herausragend sind. Auf unserer Weltreise waren dies noch das MONA (Museum of Old and New Art) in Hobart, Tasmanien, und das MOCAA (Museum of Contemporary Art Africa, verkürzt Zeitz-Museum) in Kapstadt.
Imam Muhammad bin Abdulwahhab Moschee
Es ist die Nationalmoschee von Katar. Der Namensgeber (1703 – 1792) war ein sunnitischer Prediger und Lehrer aus Riad. Geöffnet wurde die Moschee im Jahr 2011. Ich gehe die 1.5 Kilometer vom Hotel zur Moschee zu Fuß. Der Weg ist dank der vielen Baustellen nicht wirklich fußgängerfreundlich. Als ich über den großen Parkplatz der Moschee gehe, bietet sich mir ein wunderschönes Bild. Im Sonnenlicht glänzt der Sandstein mit den elf sichtbaren „zaghaften“ Kuppeln in der unteren Reihe und den sieben sichtbaren großen „selbstbewussten“ Kuppeln in der oberen Reihe, in der Mitte die schöne Ornamentik des Haupteingangs und rechts das Minarett, das wie ein Leuchtturm in den blauen Himmel ragt.
Verglichen mit der Zayid Moschee in Abu Dhabi ist die Nationalmoschee in Katar mit ihren insgesamt 93 Kuppeln ein Winzling. Das Fassungsvermögen der Prayer Hall liegt bei ca. 10.000 männlichen Gläubigen, die maximal 1.200 Frauen sind im Mezzanin. Auf dem weitläufigen Vorplatz können nochmals knapp 18.000 Gläubige zusammenfinden.
Ich kann die Moschee mit Schuhen betreten. Trotzdem sind die Gänge und der Innenhof blitzsauber, die Schuhe müssen nur beim Betreten der Prayer Hall ausgezogen werden. Plötzlich spricht mich jemand an und fragt, ob ich mit ihm in die Gebetshalle kommen wolle. Natürlich. Nicht-Gläubige dürfen nur mit einem Guide die Halle betreten. Er stellt sich als Dominic vor, ist Brite, der vor zehn Jahren nach Doha gekommen ist. Fotografieren sei leider nicht erlaubt. Neben uns steht ein Muslim, der fotografiert. Die Security unternimmt nichts, Dominic ist irritiert.
Zwischen 1pm und 2pm bin ich der einzige Ungläubige in der Moschee. Ich genieße die Ruhe in den Gängen und den Blick auf Doha. Ohne die üblichen Busse und die „verkleideten“ Touristen. Ach ja, eine Tiefgarage hat die Moschee auch.
Nationalbibliothek
Mit dem Taxi fahre ich in die Education City, vorbei am Rohbau des WM Stadions. Mein Fahrer stoppt plötzlich und fragt nach dem Weg zur Moschee. Das hätte ich ihm auch sagen können, denn ich habe MAPS.ME vor mir. Im nächsten Kreisverkehr biegt er falsch ab. „Please stop, I get out here“. Ich gehe zunächst Richtung HQ der Qatar Foundation durch den Green Spine, um dann vor der mehrspurigen Al Luqta Street rechts Richtung Nationalbibliothek abzubiegen.
Die imposante Bibliothek hatte ich schon bei meinem Besuch des Sidra Medicine Hospitals auf der anderen Straßenseite im Visier, aber ein Überqueren der Al Luqta Street ist aufgrund von Absperrungen technisch nicht möglich. Nach wenigen hundert Metern stehe ich vor der eindrucksvollsten Bibliothek, die ich bislang in meinem Leben gesehen habe. Ein architektonisches Juwel, innen und außen. 42.000 Quadratmeter Bildung. Eröffnet im April 2018. Verantwortlich für Konzeption und Bau der Qatar National Library (QNL) mit über eine Million Büchern ist die Qatar Foundation.
Der Weg zum Eingang ist recht schmal und gibt keinen Hinweis auf das, was den Besucher innen erwartet. Es ist atemberaubend. Ein gewaltiger lichtdurchfluteter Raum mit Glaswänden und Säulen öffnet sich. Ich habe das Gefühl, in einem Palast zu sein. Die offenen Bücherregale stehen auf ansteigenden Reihen, einem Open Air Theater gleich. In der Mitte des Raumes führt eine Treppe ins Untergeschoss, in eine historische Bibliothek, die wie eine Grabstätte wirkt und mit islamischen Schätzen, Bücher und Karten, bestückt ist.
Die Atmosphäre ist für eine Bibliothek ungewöhnlich, weltoffen. Eine digitale Infotafel nach der Taschenkontrolle weist auf kommende Veranstaltungen hin. Kinder werden in einer speziellen Kinder-und Jugendbibliothek an die Welt des Lesens herangeführt. Die QNL ist ein Ort des Austausches, der Lebensfreude, der Entspanntheit, ein kommunikativer Treffpunkt für jung und alt. Aber auch ein Ort für Forschung und Studium, denn die QNL ist auch Universitätsbibliothek der Education City mit ihren Satelliten renommierter ausländischer Universitäten. Der Spagat zwischen Fachliteratur und Belletristik ist gelungen, beide Interessenbereiche sind optimal aufgestellt. Selbstverständlich ist die QNL für Rollstuhlfahrer geeignet. Kurzum: Ein Ort der Superlative.
Islamische Fakultät und Moschee / Education City
Nur einen Steinwurf entfernt liegt eine Moschee, die als solche aufgrund der supermodernen Architektur nicht zwingend erkennbar ist. Genau genommen ist es ein formvollendetes Gebäude der Qatar Faculty of Islamic Studies mit Auditorium, Arbeitsräumen, Ausstellungsflächen, Büros, Kunstexponaten und einer Moschee. Diese ruht, von Wasserläufen umgeben, auf fünf großen Pfeilern, die wiederum die fünf religiösen Säulen des Islam abbilden: Öffentliches Glaubensbekenntnis, tägliches rituelles Gebet, soziale Spende, Fasten während des Ramadan und Wallfahrt nach Mekka.
Die Main Prayer Hall kann bis zu 1.800 Gläubige aufnehmen, die angrenzende Terrasse nochmals bis zu 1.000. Klein aber fein. Die Moschee ist primär auf die Education City und deren Nachbarschaft in Al Rayyan fokussiert. Die beiden Minarette ragen 90 Meter in den Himmel und zeigen natürlich nach Mekka. Das Gebäude wurde im Jahr 2015 eröffnet.
Danke für den Bericht über Doha, der Anstoß gab die Education City zu besuchen. Auch diese ist eine Entdeckung wert.
So soll es sein. Doha ist spannend, es gibt so viel zu entdecken.