Dunkle Vergangenheit
Die flächendeckende Bunkerisierung von Albanien startet 1971. Geplant sind 221.000 Bunker. Realisiert werden von 1972 bis 1983 “nur” 173.000, in etwa ein Bunker pro elf Einwohner. Dieser Wahnsinn ist der Paranoia des stalinistischen Diktators Enver Hoxha geschuldet. Er glaubt, Albanien vor imperialistischen (USA) und sozialistisch-imperialistischen (Sowjetunion) nuklearen Invasionen schützen zu müssen. Deshalb lässt er Bunker aller Größen bauen. Zwei davon, für die Eliten von Polizei, Geheimdienst, Militär und Politik, liegen in Tirana und sind heute Museen: Bunk´Art 1 und Bunk´Art 2. Kleinere Einheiten mit der typischen Betonkuppel sind heute in der Stadt verstreut und erinnern an die Selbstisolation des Landes und die Unterdrückung der Menschen. Bei der optischen Darstellung habe ich deshalb bewusst einen s/w-Filter über die Fotos gelegt.
Bunk´Art 1
Am Stadtrand von Tirana, direkt am Datji Express (Seilbahn auf den Hausberg Datji), liegt ein beeindruckendes Zeitdokument mit einer unterirdischen Fläche von über 3.000 Quadratmetern auf fünf Stockwerken. Gebaut zwischen 1972 – 1978, dient der Atombunker dem Schutz der politischen Elite. Diktator Enver Hoxha weiht diese bauliche Meisterleistung mit 106 Räumen und einer großen Halle für Versammlungen im Juni 1978 ein. Zunächst geht es durch einen etwa 400 Meter langen Tunnel, der zu einem großen Platz führt. Hier steht ein Kiosk, die Kasse.
Nach dem Kauf der Eintrittskarte, 300 Lek, etwa 2.50 Euro, für Senioren, Normaltarif 500 Lek, geht es nochmals ca. 400 Meter hoch zum eigentlichen Eingang.
Dann endlich sehe ich eine Tür im Berg, die in die Tiefe führt.
In mehr als 40 Räumen wird albanische Geschichte von 1939 bis zum Sturz des Kommunismus lebendig dargestellt. Die Historie ist in fünf Themen gegliedert: 1) Italiens Landezeit in Albanien, Widerstand des albanischen Volkes und Kapitulation Italiens (1939-1943), 2) Diplomatie während des Krieges (1941-1945), 3) Deutscher Einmarsch und albanischer Widerstand, Machtkampf und Befreiung Albaniens (September 1943 – November 1944), 4) Nach dem Krieg: Hoffnung und Enttäuschung (1945 – 1947) und 5) Rotes Albanien (1945-1990). Die Museumsausstellung zeigt unter anderem die Wohnung des Diktators, seines Stellvertreters und Räume für Offiziere. Es ist beklemmend. Enge Korridore, dicke Betonwände und massive Stahltüren bestimmen den “Spaziergang” im Bunker.
Recht komfortabel ist die “Suite” des Diktators eingerichtet, drei Räume für Arbeiten/Wohnen, Schlafen und Körperpflege. In den vorderen Räumen liegt ein Teppich (das war damals in der Tat so). Im Vorraum für den Sekretär kann man heute der Stimme des Diktators lauschen.
Die Räume zu den fünf Themen sind sehr informativ gestaltet.
Hier ein, leider verschwommener Blick, in den Versammlungsraum mit Bühne und roter (bitte mir vertrauen) Bestuhlung.
Ein Denkmal zu Ehren der beim Bau des Bunkers tödlich Verunglückten ist ebenfalls ins Museum integriert.
Für die Öffentlichkeit ist Bunk´Art 1 seit 2014 zugänglich. Nach fast 90 Minuten in der “Dunkelheit” trete ich wieder ins albanische Sonnenlicht.
Bunk´Art 2
Das zweite bewegende Zeitdokument liegt in unmittelbarer Nähe zum Skanderbeg-Platz, direkt hinter dem ehemaligen Ministerium für Öffentliche Ordnung. Die beeindruckende Ausstellung im über 1.000 Quadratmeter großen früheren Atombunker zeigt, wie Regimegegner in der kommunistischen Diktatur verfolgt wurden. Für die Öffentlichkeit zugänglich ab 2016. Gebaut wurde der Bunker zwischen 1981 und 1986, um die Elite von Polizei und Geheimdienst im Fall der Fälle zu schützen.
Interessante Exponate in den 26 Räumen und informative Informationstafeln an den bis zu 2,5 Metern dicken Betonwänden machen die Ausstellung zu einer Reise in die paranoide Vergangenheit der 45jährigen kommunistischen Diktatur, in der Hunderttausende perfide verfolgt, brutal gequält und emotionslos ermordet wurden. Das ist auch die Geschichte der Staatssicherheit, der Sigurimi.
Auch in diesem Bunker erinnert ein Kunstwerk an die Gräueltaten von Polizei und Staatssicherheit.
Die beiden Museen, Bunk´Art 1 und Bunk´Art 2, im direkten Vergleich: Der fünfstöckige Atombunker war spannender aufgrund der Größe und des Umfeldes. Inhaltlich sind beide mit ihren speziellen Themen gleichwertig. Deshalb sollte man auch beide Atombunker besuchen. Der eine ergänzt den anderen.
House of Leaves
Das Museum hat 31 Räume, die sich vor allem mit dem Werkzeugkasten der Sigurimi befassen, Menschen zu belauschen, zu kontrollieren, zu verhören. Darüber hinaus werden Originaldokumente über die Arbeitsweise des Geheimdienstes gezeigt, Verhörmethoden visualisiert und Beispiele für die Spionage-Infrastruktur nachgestellt.