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Die Säulenheiligen von Düsseldorf – Teil II

Der Künstler Christoph Pöggeler hat zwischen 2001 und 2016 zehn lebensecht wirkende Figuren auf Litfaßsäulen gestellt. Diese „Säulenheiligen“ stehen für bestimmte Lebenssituationen und damit verbundene gesellschaftspolitische Themen. In Teil I habe ich die ersten fünf vorgestellt: Die Lesende, Der Fotograf, Vater und Sohn, Marlis und Die Braut. Heute schließe ich die Lücke zur zehnten Figur.

# 6    Das Paar I

Standort: Burgplatz

Leider ist die Wortwahl für diese „Säulenheiligen“ recht unspezifisch. Der Kopfsteinpflasterplatz liegt zwischen Rhein und Altstadt, ist ein Treffpunkt für Freude, Feiern und Genuss. Das Paar auf der Litfaßsäule drückt eher das Gegenteil aus, Sie halten zwar sich bei den Händen, wirken aber geistig irgendwie abwesend. Nicht einander zugewandt, wenig kommunikativ. Dieses Paar ist an diesem Standort ein Fremdkörper. Der einzige Lichtblick ist die Farbgestaltung der Kleidung.

Natürlich stellt sich auch bei Paar I die Frage, ob der Gegensatz nicht gewollt ist. Bei aller Extravertiertheit in unserer Gesellschaft kommt häufig die Introversion zu kurz. Kontemplatives Innehalten auch bei überschäumender trinkfreudiger Umgebung? Oder ist Botschaft doch einfacher. Nur ein verliebtes Paar, das durch die Altstadt schlendert? Das Paar schaut seit 2002 auf den Rhein. Nur wenige Meter weiter steht die nächste „Säulenheilige“.

# 7             Die Fremde

Standort: St. Lambertus Kirche / Stiftsplatz

Die Kirche, die markant am Rheinufer liegt, ist das älteste Bauwerk in der historischen Altstadt. Die Fremde (mit Kind) steht dort seit 2005. Dieser Standort hat seit 2015 an Aktualität gewonnen. Im Zuge der Migration kann heute der Standort als gelungen bezeichnet werden. Mutter und Tochter, bunt gekleidet, wandern in Deutschland ein und suchen hier eine neue Lebensgrundlage. Die Nähe zur katholischen Kirche soll Schutz und Orientierung geben. Allerdings ist deren Blick nicht hilfesuchend auf die Kirche gerichtet, sondern neugierig-interessiert dem Rhein zugewandt. Der Rhein als länderübergreifende Wasserstraße? Wobei, wenn ich ehrlich bin, so fremd schauen Mutter und Tochter nicht aus. Pöggeler würde wohl heute eine andere Modellierung wählen.

Nach 200 Metern folgt Das Paar II.

# 8             Das Paar II

 Standort: Hofgartenrampe an der Oberkasseler Brücke

Wieder so ein unspezifischer, langweiliger Titel. Für mich sind es „Die Küssenden“. Das verliebte Paar, im Kontrast zum Burgplatz, drückt inniges Miteinander aus. Beide genießen die Berührung mit den Lippen. Eng umschlungen, geschlossene Augen. Er im beige-blaugestreiften Freizeitlook, sie im eleganten roten Kleid. Sie aus Oberkassel, er aus Golzheim? Der Standort ist auch deshalb gut gewählt, weil die Tonhalle, das berühmteste Konzerthaus in Düsseldorf, direkt an der Litfaßsäule liegt. Symbolisch ist der Kuss der beiden Liebenden auch ein Kuss der Muse Musik. Ein Leben ohne Musik ist möglich, aber sinnlos. Dahler Immobilien als Außenwerbung – vielleicht besiegelt der Kuss ja auch den Erwerb einer neuen Immobilie. Auf jeden Fall ist dieses Paar mein Favorit für diesen Beitrag.

Weitere 200 Meter weiter steht

# 9             Der Geschäftsmann

Standort: Josef-Beuys-Ufer / Fortuna-Büdchen

Was „Der Geschäftsmann“ mit der Rheinpromenade, dem ikonischen Fortuna-Büdchen oder auf der anderen Straßenseite mit den Museen zu tun hat, erschließt sich mir nicht direkt. In der weiteren Umgebung sehe ich ERGO, Bezirksregierung und Oberlandesgericht. Stellvertretend für viele Anzugträger, einige davon mit Dokumentenkoffer? Wahrscheinlich stellvertretend für die Business-Stadt Düsseldorf. Heller Anzug von der Stange, dunkler Koffer, wenig ansprechende Krawatte mit Sommerbindung. Eine Figur aus der großen Masse. Ein Sympathieträger? Er schaut Richtung Medienhafen, denkt er an das Bier nach Feierabend? Wunschlos glücklich schaut er nicht aus. Ist im Dokumentenkoffer etwa kein erfolgreicher Abschluss? Er geht seinen Geschäften seit 2001 nach.

Zur letzten Litfaßsäule sind es noch 4.5  Kilometer.

# 10           Der Urlauber

Standort: Kaiserswerther Straße / Stockumer Kirchstraße

Endlich – die Thematisierung von Tourismus. Die Litfaßsäule steht an einer Kreuzung. Die Kaiserswerther Straße führt Richtung Flughafen, die Stockumer Kirchstraße zur Messe (und damit auch zum Caravan Salon), und in der Nähe liegt das Rheinbad. Ein vorzüglicher Standort. Der Urlauber sieht in der Tat wie ein solcher aus. Vorfreude im Gesicht, leichter Bauchansatz, blaue Badeshorts, blau-weiße Schwimmflossen in der rechten Hand und ein rot-weiß-blau gestreiftes Badetuch lässig über die Schulter geworfen. Dieser Mann fährt jährlich seit 2003 mindestens einmal in Urlaub. Dieser Mann will ans / ins Wasser. Massentourismus mit Abflug vom viertgrößten Flughafen in Deutschland – bezogen auf das Passagieraufkommen – oder einfach nur Individualtourismus im Schwimmbad? Auf jeden Fall ist Reisen, nicht erst seit Corona, ein brennendes gesellschaftliches Thema.

Pöggeler bezeichnet sein Werk als „work in progress“. Wird es in den nächsten Jahren mehr „Säulenheilige“ in Düsseldorf geben?

 

 

 

 

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