Ist Tirana eine Reise wert?
Die Reaktionen auf meinen Wunsch, Tirana zu besuchen, waren gemischt. Albanien, Tirana, was willst du dort? Nun, die Frage war einfach zu beantworten: Neues entdecken und eine aufstrebende Stadt kennenlernen. Sieben Tage – genug Zeit, um an der Oberfläche in eine mittelgroße Stadt mit ca. 550.000 Einwohnern einzutauchen. Und was war das Ergebnis des Tauchganges?
Ich bin beeindruckt. Tirana, umgeben von Bergen, ist eine „warme“ Stadt mit großzügigen Parkanlagen, sehr guten Restaurants, interessanter Architektur, freundlichen Menschen und einer zukunftsorientierten Dynamik. In Tirana wird gebaut, umstrukturiert, renoviert. Baukräne sind nahezu überall. Stadtentwicklung ist das beherrschende Thema in 2022. Diese Dynamik hat für mich allerdings zwei „Schattenseiten“. Ich will unbedingt die mehrfarbigen Buchstaben T I R A N A im Park Rinia sehen und fotografieren. Removed, entfernt. Stattdessen wird der Kinderspielplatz erweitert.
Ich will unbedingt ein Foto von einer auf der Welt einzigartigen Diktatoren-Gruppe machen, die in Bronze hinter der National Art Gallery steht: Lenin, Stalin, Hoxha. Removed, entfernt. Das nationale Kunstmuseum wird renoviert und erweitert. Niemand weiß, auch das offizielle Touristenbüro der Stadt ist ratlos, wo diese Statuen abgeblieben sind.
Ein Besuch der schönsten Moschee der Stadt ist nicht möglich, weil ein Zaun signalisiert „Hier wird renoviert, umgebaut“. Nach dem Umbau soll die Namazgja-Moschee mehr als 4.500 Gläubigen religiöse Heimat bieten. Die vier Minarette sind 50 Meter hoch.
Die älteste Moschee der Stadt, Et`hem Bey, liegt am Skanderbeg Platz. Sie ist eine der wenigen Moscheen, die in Tirana die Diktatur überlebt haben. Sie stammt aus der osmanischen Zeit Ende des 18. Jahrhunderts.
Ebenso ist die Pyramide eine riesige Baustelle. Gedacht als Museum für den Diktator Enver Hoxha, verfallen nach dem Ende der Diktatur. Gegenwärtig wird die Pyramide in ein modernes, multifunktionales Erlebniszentrum umgestaltet. Einige Impressionen am Bauzaun verdeutlichen die optische Intention.
In ca. fünf Jahren wird das spannende Facelifting (vor allem durch Street Art, kreative Architektur, neue Hotels und farbenfrohe Fassaden) Tirana noch vielfältiger, bunter und attraktiver machen. Viele der Bauprojekte werden abgeschlossen sein, neue in Planung. Heute schon stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, die Qualität im Service ist hoch. Tirana ist, um die Initialfrage zu beantworten, gegenwärtig mit Nachdruck eine Reise wert.
Gewohnt habe ich im Hotel Mondial. Ja, der Weltrentner war solo in Tirana. Meine Frau, siehe die Eingangsfrage, war vom Städtetrip nach Tirana nicht überzeugt.
Die Anreise war easy, Direktflug mit Lufthansa von Frankfurt. Am Airport in Tirana wechsele ich 100 Euro in die albanische Währung Lek. Es gibt Wechselstuben an den Gepäckbändern und natürlich im öffentlichen Bereich nach dem Zoll. Der Kurs ist draußen besser: 115 Lek für 1 EUR. “Innen” gibt es nur 108 Lek für 1 EUR. Das Taxi zum Hotel kostet 20 EUR.
Die Preise für Essen und Trinken sind höchst attraktiv. Am ersten Abend esse ich auf dem Weg zum Skanderbeg-Platz im traditionellen Restaurant “Tek Zgara Tirones” an der Rruga e Kavajes. Für ein traditionelles Gericht mit Getränken, lecker, auch wenn kein Fine Dining, zahle ich fünf Euro (Foto 1). Wenige Tage später esse ich wieder traditionell, diesmal im “Zgara Supreme 2”, auch Rruga e Kavajes, mit Getränken sieben Euro (Foto 2). Ebenso gut. An den anderen Tagen esse ich international, italienisch und argentinisch. Die Preise sind, bei hoher Qualität, mit einer Bandbreite zwischen neun und 20 Euro immer noch günstig.
Natürlich gibt es auch preisliche Highflyer, etwa die LIFT Steak und Rooftop Bar am Air Albania Stadion.
Glücklicherweise fand am zweiten Tag meines Aufenthaltes eine Aufführung im Opernhaus statt: Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni. Die Oper ist Teil eines langgestrickten Gebäudes am Skanderbeg-Platz. Innen sehr schlicht, für die Zuschauer nur Parterre.
Überhaupt, der ca. 38.000 Quadratmeter große Skanderbeg-Platz ist das Herz von Tirana. Mit dem Denkmal für den Nationalhelden, elf Meter hoch, der Et`hem Bey Moschee, dem Kulturpalast mit Opernhaus, dem Rathaus der Stadt und dem Historischen Nationalmuseum ist der Platz, ca. 900 Meter vom Hotel Mondial entfernt, die erste Anlaufstelle für Touristen.
Zwei Themen haben mich besonders beschäftigt: Mutter Teresa und der „dunkle Tourismus“. Dazu folgen zwei Blog-Beiträge. Bei meinen täglichen Spaziergängen habe ich darüber hinaus fünf sehr empfehlenswerte Orte kennengelernt und natürlich wieder tolle Impressionen fotografisch sammeln können. Eine Stadt zu Fuß zu erkunden, mit Haupt-und Nebenstraßen, mit Vororten und Industrievierteln – das macht Spaß, und ist für mich die Essenz einer Städtereise.