Von Golzheim nach Kaiserswerth – Teil 2
Golzheim ist für einen Spaziergang ideal, und bei guter Kondition können noch die angrenzenden Stadtviertel entdeckt werden. Für den Weg nach Kaiserswerth empfehle ich jedoch ein Fahrrad – ein Genuss auf beiden Seiten des Rheins. Knapp 300 Meter vom Rheinpark entfernt liegt die sogenannte Weiße Siedlung.
Die „Weiße Siedlung“
Die Geschichte dieses Wohnviertels beginnt in den 1920er Jahren. Es gab erste Planungsideen für einen Ausstellungspark im Bereich der „Golzheimer Heide“, die sich zwischen Rhein und dem Stadtteil Rath erstreckte. Weiterentwickelt wurde dieser Gedanke 1930, als Düsseldorf die Hauptstadt eines NSDAP-Gaus wurde und der Gauleiter ambitionierte Vorstellungen entwickelte. Mit der Reichsaustellung Schaffendes Volk sollte Düsseldorf zum Zentrum des Nationalsozialismus im Westen Deutschlands gemacht werden. Auf 20 Hektar entstand die Siedlung Schaffendes Volk, 1937 in Schlageterstadt umbenannt. Albert Leo Schlageter war für die Nationalsozialisten ein Märtyrer, da er als militanter Aktivist 1923 von der französischen Militärregierung in Düsseldorf hingerichtet wurde. So entstand das heute im Volksmund „Weiße Siedlung“ genannte Wohnviertel.
Denn alle Häuser sind in weiß gehalten, einige aufgehübscht, anderen wiederum sieht man das Alter direkt an. Eine Straße war ausschließlich für Künstler reserviert. Es ist die heutige Franz-Jürgens-Straße, an der immer noch viele Ateliers liegen. Carl Franz Jürgens (1895 – 1945) war ein aktiver Düsseldorfer Widerstandskämpfer.
Mir kommt das Areal wie eine Mischung aus gutbürgerlicher Enklave und grüner Künstlermentalität vor. Kaum zu glauben, dass sich dieses Wohnviertel aus einem nationalsozialistischen Hotspot entwickelt hat. Im angrenzenden Stadtteil Stockum haben noch weitere Elemente des damaligen Gesamtkonzeptes überlebt. So Parkanlagen im Nordpark und die Nordparksiedlung, früher Wilhelm-Gustloff-Siedlung.
Außergewöhnliche Denkmäler
Auf dem Vorplatz zur „Weißen Siedlung“, es ist der Reeser Platz, stehe ich vor einem Denkmal, das an die im Ersten Weltkrieg gefallenen und verschollenen Soldaten des 39. Füsilier-Regiments erinnert. Das Niederrheinische 39. Füsilier-Regiment war Ende des 19. Jahrhunderts in Düsseldorf -Derendorf stationiert. Das Denkmal wurde 1939 eingeweiht.
Es ist schon komisch: Einerseits ein Denkmal zur Erinnerung an menschliche Schicksale zwischen 1914 – 1918, andererseits aber auch Dokument einer unmenschlichen, aggressiven Kriegspolitik der Nationalsozialisten. Soldaten marschieren in den Kampf, vereint in der Inschrift „FUER DES DEUTSCHEN VOLKES EHRE UND FREIHEIT“. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden sukzessive auch die Namen eroberter Städte eingemeißelt.
Der Dreimädelbrunnen, 1914/1915 errichtet, liegt an der Ecke Kaiserswerther Straße / Friedrich-Lau-Straße. Das Kunstwerk, das auf einem Natursteinsockel steht, zeigt in Anlehnung an das klassische Motiv der drei Grazien drei junge Frauen. Während eine der Frauen steht, knien die beiden anderen und halten eine Muschelschale, das Symbol der Venus. Der Brunnen steht unter Denkmalschutz.
Beim Start an der Theodor-Heuss-Brücke sind es bis Kaiserswerth elf Kilometer. Eine wunderschöne Strecke entlang des Rheins. Am Wasserwerk beginnt der eigentliche Radweg. Kurz hinter der Flughafenbrücke liegt das Restaurant „Alte Rheinfähre“. Und damit sind wir schon in Kaiserswerth.
Kaiserswerth – Der älteste Stadtteil von Düsseldorf
Der Name leitet sich aus dem mittehochdeutschen Wort werth für Insel her. Ich besuche also die Insel des Kaisers. 1929 wurde Kaiserswerth, ursprünglich „Suitbertuswerth“, eingemeindet, ist deshalb der älteste Stadtteil von Düsseldorf. Mein Rundgang beginnt bei der Kaiserpfalz. Leider, wie auch andere Sehenswürdigkeiten, wegen Corona für die Öffentlichkeit geschlossen.
Ursprünglich stand im 7. Jahrhundert auf dem Areal ein königlicher Hof, der im Laufe der Jahrhunderte zu einer Burg wurde, die dann zu salischer Zeit durch Heinrich III. zur Kaiserpfalz ausgebaut wurde. Die heute sichtbaren Reste der Kaiserpfalz stammen vom Bau des staufischen Kaisers Friedrich I. “Barbarossa” um 1180, also noch vor der Stadtgründung Düsseldorfs im Jahr 1288. Während des Spanischen Erbfolgekrieges erlebte die Pfalz im Jahr 1702 ihre letzte große Belagerung und anschließende Zerstörung.
Der Kaiserpfalz gegenüber liegt der Suitbertus-Stiftsplatz mit der Basilika St. Suitbertus. Der Platz gehört wegen seiner ruhigen Lage und seiner geschlossenen Bebauung zu den Höhepunkten von Kaiserswerth. Die heutige Bebauung stammt größtenteils aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Zeit des Wiederaufbaues nach 1702. Aus dem Kloster des Suitbertus wurde im 11. Jahrhundert ein Chorherrenstift, heute eine der schönsten sogenannten Pfeilerbasiliken am Niederrhein. Wertvollster Besitz der Kirche ist der Schrein mit den Gebeinen des heiligen Suitbertus aus dem 13. Jahrhundert.
Das Borgshaus gehört zu den ältesten Kanonikerhäusern am Suitbertus-Stiftsplatz. Als Kanoniker wurden die Stiftsherren bezeichnet. Die frühesten Bauteile sind romanischen Ursprungs (12./13. Jahrhundert). Im 19. Jahrhundert hat wohl eine Familie Borgs (oder Borges) das Haus bewohnt und die angrenzenden Flächen landwirtschaftlich bestellt. Das Haus, in den Jahren 2002 und 2003 umfassend restauriert, ist ein veritables Schmuckstück. An der Stiftsgasse drückt der Torturm als ehemaliger Zugang zum Platz die Stiftsimmunität aus.
Die Dauzenbergstraße führt zum Kaiserswerther Markt. Hier steht auf der rechten Seite Richtung Marktplatz das Gasthaus “Im Schiffchen”, französische Gourmetküche. Über dem Portal das Zeichen eines Bootes und die Jahreszahl 1733. Auf der gegenüberliegenden Seite Richtung Rhein sehe ich das alte Zollhaus. Es ist ein prächtiges Haus aus der Zeit vor der Zerstörung von Kaiserswerth im Spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1702. Auf der Hofseite steht noch der Turm, von dem aus die Zöllner den Schiffsverkehr auf dem Rhein kontrollierten.
Der Marktplatz ist trotz seiner schönen Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert etwas „langweilig“. Auf dem Mittelstreifen des Marktes stand einst das alte Rathaus. Bei der Belagerung 1702 wurde es zerstört und nicht wieder aufgebaut. Nördlich des Marktplatzes entwickelte sich historisch die evangelisch geprägte Seite von Kaiserswerth. Im Mittelpunkt standen die Aktivitäten vom Theologen Theodor Fliedner (1800 – 1864), der mit seiner Frau Friederike den diakonischen Gedanken um die Welt schickte. Das komplett renovierte Mutterhaus der Kaiserswerther Diakonie ist seit 2002 Hotel-und Tagungszentrum. Südlich des Marktplatzes sammelte sich die katholischen Aktivitäten mit dem Stiftsplatz, der Basilika und dem erzbischöflichen Suitbertus-Gymnasium.
Die Klemensbrücke verbindet den historischen Ortskern mit dem Klemensviertel. Der frühere Rheinarm ist heute ein schöner Wanderweg. Ich verlasse den Festungswall Richtung Schloss Kalkum (dazu mehr in einem späteren BLOG-Beitrag).
Weitere bekannte Kaiserswerther:
Caspar Ulenberg
1548-1617, Pfarrer in Kaiserswerth, kath. Theologe, Dichter und Komponist geistlicher Lieder
Herbert Eulenberg
1876-1949, lebte und arbeitete in Kaiserswerth
Dichter und Dramaturg
Friedrich Spee
1591-1635, geboren in Kaiserswerth, kath. Theologe, Dichter und Komponist geistlicher Lieder, Kämpfer gegen den Hexenwahn
Florence Nightingale
1820-1910, Schülerin in Kaiserswerth, Reformerin der militärischen Krankenpflege, bekannt als „Engel der Barmherzigkeit“ aus dem Krimkrieg
Zurück geht es auf der anderen Rheinseite. Ich nehme die Fähre, zahle für die kurze Überfahrt zwei Euro. Der linksrheinische Radweg, vorbei an Flughafenbrücke, Theodor-Heuss-Brücke und Oberkasseler Brücke, ist hervorragend, ein Genuss. Ständiger Begleiter ist allerdings der Wind. Über die Rheinkniebrücke erreiche ich wieder Altstadt und Hofgarten.
Der nächste BLOG-Beitrag ist der Düsseldorfer Brückenfamilie gewidmet.